Das pD zieht aufs Land - dahin, wo's richtig wehtut: Nach Ostwestfalen-Lippe, kurz OWL. Die Region mit einer Fläche von sechseinhalbtausend Quadratmetern hat sogar einer Autobahnausfahrt (A2) ihren Namen geliehen - weil ein einsamer Politiker sich durchgesetzt hat. Wegen der Tatsache, dass man den Namen dann häufiger in den Verkehrsnachrichten hört, was angeblich gute Werbung für die Region ist. "5 km Stau zwischen Ostwestfalen-Lippe und Bielefeld Nord" - "Da muss ich hin!". Oder so.

Platz für allerlei Klischees über den Westfalen an sich - vor allem von den von diesen heißgeliebten Rheinländern. Vorsicht: Dortmund oder Gelsenkirchen liegen auch auch in Westfalen. Hüpfen da auch komische wortkarge Gestalten plötzlich aus dem Busch hervor...?

"Die vom großen Fluss halten sich für ein auserwähltes Völkchen, wissen nix, können aber alles erklären." (Hanns Dieter Hüsch)

Gemeint sind natürlich die Rheinländer. Und die lachen da auch noch drüber. Weil Hüsch einer der ihren ist.

So - zur Suppe.

"Projektmanager" Jens (das ist kein Beruf, sondern eine vorübergehende Aufgabe, die natürlich zur Daueraufgabe werden kann, wenn sich ein Projekt nahtlos an das nächste anschließt) neigt gerne leicht unterwürfig seinen Kopf und hat eine süße kleine Tochter mit einer Riesen-Zahnlücke. Er wohnt in Leopoldshöhe, wo es angeblich nicht einmal eine Ampel gibt. Dass sich hier auf dem plattesten Land wie überall in dünn besiedelten Gegenden Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagen und der Bus nur 3x täglich fährt (und das auch nur von Mo-Fr), sollte keine Wahnsinns-Sensation sein. Kann man natürlich trotzdem erstmal ein bisschen drauf rumreiten.

Sven bewohnt die ehemaliger Melkerwohnung auf einem ehemaligen Bauernhof und da er eine abschließbare Haustür hat (wenn auch als Hintereingang), ist das wohl keine Kommune. Drinnen ist es ganz nett, eher modern (vor allem die Küche), bis vielleicht auf den "Kuhschrank" im Esszimmer, der so heißt, weil er mal lange im Kuhstall gestanden hat, was man ihm auch anriecht. Außen vielleicht nicht, aber auf jeden Fall innen. Zum Dinner könnten die Schranktüren aber geschlossen bleiben, dann ist alles gut. Jens hat ein Zimmer, in dem sein Computer steht. Dort sammelt er auch diverse Computer-Komponenten - vor allem wegen des Designs. So hängt denn ein älterer PC der Marke mit dem angebissenen Apfel an der Wand. An einer Schnur sind Mäuse aufgehängt, dazwischen ein Bild seiner Frau, die ja auch irgendwie ein (süße) Maus ist. Die hat er übrigens mit 18 beim Tanzen kennengelernt und ist mit ihr "ich sach mal so" seit 2005 verheiratet (er "sacht" das "so", damit er sich bei der Anzahl der Jahre nicht verrechnet). Russen-Tussi Victoria denkt, da hingen "echte Mäuse" und fragt, ob sie vielleicht Blumen mitbringen soll.

Eingekauft wird in einem Bio-Supermarkt, was es in OWL sogar auch schon gibt. Die Verkäuferin bescheidet Jens westfälisch-trocken "Sie melden sich, wenn sie mich brauchen" und er sucht sich das Benötigte zusammen. Im Rheinland wäre das nicht ohne Singsang unter zwei Minuten abgegangen und alles andere als unhöflich eingestuft worden. Die wichtigste Zutat hat Jens allerdings schon zuhause, den Hauptdarsteller quasi: Irish Dry-Aged Rib-Eye Steak, übers Internet bestellt, denn sowas kriegt man in OWL nicht im Laden (außer vielleicht in Bielefeld, aber das gibt's ja gar nicht).

Beim Schnippeln hilft ihm Basti - aber nicht, weil er das so gut kann, sondern weil er das zusagen musste, weil er Jens zum pD angemeldet hat. Oder ihn jedenfalls dazu gedrängt hat. Beworben hat er sich für Bielefeld, ist aber erst jetzt für OWL genommen worden. Egal. Gemüse für den Ofen wird geschnippelt, außerdem will der Teig für den "Pickert", eine Art lippischer Pfannekuchen aus Mehl, Kartoffeln, Rosinen und Hefe, zubereitet werden. Weiterhin wird selbst Vanilleeis gemacht, was der psychiatrische Psychoanalytiker Theo wegen der Logistik bemerkenswert findet.

Die Tischdeko ist eine kleine Hommage an Irland und besteht daher aus einem orangenen und einem grünen Stoffstreifen auf einer weißen Tischdecke, beschwert mit einer Art mittelalterlichem Knopf (metallene Schließvorrichtung für Mäntel und Umhänge). Jou.

Die Gäste kommen im Akkord: Seit kurzem wird hier ja von Wocks mehr oder weniger stark gekürzt. 8 Jahre lang wurde jeder Gast lang und breit einzeln begrüßt, bald materialisieren sie sicher einfach irgendwie. Die gewonnene Zeit lässt sich prima für's Kochen für die Präsentation der Wohnungseinrichtung oder von ausgefallenen Hobbies verwenden. Wen haben wir da: Victoria (27), ebenfalls in Leopoldshöhe aufgewachsen, hat russische Wurzeln und verdient ihr Geld angeblich ausschließlich mit einem Zelt, in dem sie Leute mit Selbstbräuner vollsprüht, neudeutsch (mobiles) Airbrush Tanning. Der entsprechende Sud kommt wohl aus Putins Reich - auf ihrer Homepage, die Klachl ja mit seinem unvergleichlichen detektivistischen Gespür in den Untiefen des Zwischennetzes entdeckt hat, ist unter "Galerie" eine Bilderfolge noch kyrillisch betextet. Sie kommt wie eine verwöhnte Tussi rüber, die für ihr Geld eigentlich nicht selbst arbeitet und löst in den lippischen Herren so einiges aus. Der lakonische André (43) hat seine Frau verlassen, aber inzwischen in der Kneipe eine neue gefunden. Dort scheint er sich ganz gern aufzuhalten. Die ehemalige Soldatin Jeannette (28) ist jetzt keine klassische Schönheit, ist aber im frühen Stadium schwanger (und muss daher zumindest vorübergehend niemandem erklären, warum sie hier und da vielleicht ein "kleines Rölleken" hat) und verzichtet daher derzeit schweren Herzens auf Alkohol. Irritierend: Irgendwas grünliches bammselt ihr zwischen den mittleren oberen Schneidezähnen herum, was vermutlich am Lippenbändchen angetackert ist. Jo mei, wenn's schee macht... Da ihr Vater Schlachter ist und sie als Kind mal mit zwei Kuhaugen geweckt hat, ist sie Vegetarierin geworden. Also jetzt nicht aus Überzeugung, sondern sie probiert schon ab und zu Fleisch, vor allem vom Schwein. Fisch und Käse geht bei ihr aber gar nicht. Endlich mal wieder ein Gastgeberschreck - oder auch nicht. Die Runde wird komplettiert von Theo (69) - einen Rentner hatten wir lange nicht. Der Ex-Püschologe (s.o.) hält sich mit alterstypischem Schlaukacken und Besserwissen bislang zurück, will auch niemanden live analysieren. Seine stark nach unten gezogenen Mundwinkel verleihen ihm in Kombi mit dem Schnauzbart bei geöffneter Luke gelegentlich etwas Fischartiges. Sieht aus, als ob er "nach Wasser schnappt". Hoffentlich bleibt er gesund.

Als Aperitif wird Gin Apple Cider gereicht, was im Vorfeld in der weltgewandten Runde Diskussionen darüber auslöste, ob das vielleicht falsch geschrieben sei. Aber nein: Viele Länder machen was aus ihren halbverfaulten Äpfeln und in Irland heißt das eben Cider. Hat angeblich weniger Blubber als sein französischer Kollege, der Cidre. Die Sprühtante hatte schon befürchtet, sie kriegt nicht genug Alk und war erleichtert, dass noch Gin zugesetzt wurde. Nicht, dass das nicht genug bimmelt.

Aus dem zähen Pickert-Teig fertigt der Projekt-Jensel kleine Pfannküchlein und adelt sie mit Leberwurst, Rübenkraut und Apfelkompott zum Dreierlei. Empfohlene Verzehr-Reihenfolge: Erst das Rübenkraut, dann die Leberwurst und schließlich den Apfelkompott. Verstehe ich nicht. Den Gästen schmeckt's ganz gut.

Stöbern: Die Männer kraxeln in der Kälte draußen auf dem Kinderbelustigungsgerüst herum, die Damen dringen ins Kinderreich an. Schon an der Tür wird per Zettel "Anklopfen" verlangt und auch im Zimmer hängen an Dingen von kindlicher Hand gekritzelte Zettel, die das Anfassen untersagen. Man ist beeindruckt.

Jens haut sein Edel-Beef in die Pfannen und hat sogar nach dem Gargrad gefragt. Das dazugehörige "Ofengemüse" ist kein Hexenwerk. Beim Servieren vertauscht er offenbar die Teller von Jeannette und André - erstere wollte das Fleisch "zum Probieren" durchgebraten und letzterem hätte es gereicht, wenn er das Fleisch "neben die Pfanne gelegt" hätte. Leider machen ihn die beiden nicht auf seinen Fehler aufmerksam, sondern würgen stumm am so nicht gewünschten Fleisch herum. Überhaupt: Geredet wird jetzt nicht soo viel. Das Fleisch war ganz OK, 2x falsch gegart und was irisches konnte man da jetzt nicht unbedingt rausschmecken.

Zum Nachtisch wird nochmal Gas gegeben: Vanille-Eis plus Cidersorbet setzen farbliche Akzente, dazu gesellen sich über-crumblete Beeren, etwas zu lange im Ofen gewesen. Soll das "Heileit" gewesen sein, aber wieder nicht irisch genug.

Am Ende gibt es von der maulfaulen und ein bisschen drögen (der Westfale!) Truppe 29 Punkte.